Impuls zum 6. August 2023
Von Klaus Hagedorn (Oldenburg), Geistlicher Beirat pax christi – Deutsche Sektion e.V.
Vorneweg
Am 6. August 1945 fällt die erste Atombombe der Menschheitsgeschichte auf die japanische Stadt Hiroshima. Zweihunderttausend Menschen sind sofort gestorben; weitere Hundertausende werden in den folgenden Jahrzehnten dahinsiechen, bzw. sterben an den unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen. An den Spätfolgen leiden noch bis heute viele Menschen. Offiziell sollte dieser verheerende Bombenabwurf das Ende des 2. Weltkriegs in Asien herbeiführen. Japan kapituliert, nachdem drei Tage nach dem Inferno von Hiroshima eine zweite Atombombe gefallen ist: auf die Stadt Nagasaki. „Nie wieder solches!“ Das war einhellige Erfahrung in 1945. Und sie prägte auch die Gründung der Vereinten Nationen mit deren zentraler Mission: Erhalt von internationalem Frieden und Sicherheit.
Auf dem Berg der Verklärung: Das Evangelium vom Tag - Matthäus 17, 1-9
In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, es erschienen ihnen Mose und Elija und redeten mit Jesus. Und Petrus antwortete und sagte zu Jesus: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Noch während er redete, siehe, eine leuchtende Wolke überschattete sie und siehe, eine Stimme erscholl aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. Als die Jünger das hörten, warfen sie sich mit dem Gesicht zu Boden und fürchteten sich sehr. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf und fürchtet euch nicht! Und als sie aufblickten, sahen sie niemanden außer Jesus allein. Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemandem von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist!
Neu verstehen: den Weg Jesu
Wie in diesen Tagen zu diesem Evangelium von der Verklärung Jesu einen Zugang bekommen bzw. eine Brücke bauen? Und: Wie es in Verbindung bringen mit dem Hiroshima-Gedenktag und unserer Suche nach gerechtem Frieden, mit all den Konflikt- und Leidensgeschichten, vor die ich mich aktuell gestellt sehe?
„Mir geht ein Licht auf!“ Das sage ich manchmal nach einer klärenden Begegnung, nach einem vertrauensvollen Gespräch oder nach einer intensiven Beschäftigung mit einer Frage. Ich bringe damit zum Ausdruck, dass ich jetzt besser verstehe, was die Dinge bedeuten, was um mich herum vorgeht, dass ich Zusammenhänge und Dynamiken neu und anders sehen kann…
Auf dem Berg der Verklärung geht Petrus, Jakobus und Johannes offensichtlich ein Licht auf. Sie blicken neu durch, sie verstehen Jesus neu – im Licht des Glaubens. Sie erkennen klarer, wer er ist, wofür er steht und wohin sein Weg geht.
Mir begegnete in der vergangenen Woche – auf neue Weise – ein vor genau 40 Jahren publizierter Text von Franz Kamphaus, den ich erinnerte. „Weltfriede auf Erden“ ist er überschrieben. Ich war überrascht über seine Aktualität für mich heute. Er wurde in den 1980ern geschrieben, als alle Welt vom Frieden redete und die Unterhändler der großen Machtblöcke sowie die führenden Militär- und Rüstungsexperten das Wort „Friede“ für sich allesamt in Anspruch nahmen. Ich möchte aus einem Abschnitt Franz Kamphaus kürzend zitieren, weil er mir für mein Ringen mit anderen, für mein Suchen und Fragen nach gerechtem Frieden eine Richtung weist und für mich einen Bogen zum Evangelium vom heutigen Sonntag schlägt. Franz Kamphaus erinnert daran, dass Jesu Aufgabe (gewesen) ist, „allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Wege zu lenken auf den Weg des Friedens“ (Lk 1,79). Ich denke, dass in diese Richtung - auf dem Berg der Verklärung - die drei Freunde Jesu besser verstanden haben, was sein und ihr Friedensauftrag ist. Klärung hat stattgefunden, Verwandlung geschieht, die neues Licht hat aufgehen lassen.
‚Finsternis und Todesschatten‘ – ein Zitat schon aus alttestamentlichen Zeiten, aus einer Situation der Ausweglosigkeit und Verzweiflung. Man lebte in Kriegsangst. Man hoffte auf einen Retter aus dem Hauses David. Sind es nicht zwei genau treffende Stichworte auch für die heutige Situation? Finsternis: Ratlosigkeit angesichts der Rüstungsspiralen und Waffeneinsätze, im Dunkeln tappen angesichts der Selbstgefährdung der Menschheit. Todesschatten: Wirft der Krieg nicht weitere Schatten voraus? Können wir die verschärften Konflikte nicht längst kommen sehen? Sitzen wir nicht längst in einer einzigen Rüstungskammer auf dem Pulverfass? ‚Finsternis und Todesschatten‘ – und kein Ausweg, keine Aussicht.
Das Evangelium im Ganzen ist als Einladung zu verstehen, den Wegen des Friedens nachzugehen, die Jesus geht. Er wendet sich den Wehrlosen und Armen wohlwollend zu. Er ist für sie Gottes Seligpreisung in Person. Noch in der Stunde der Passion lehnt er die Gewalt ab und heilt dem Geschlagenen das Ohr an. Sein Frieden basiert nicht auf Waffen. Er gründet in entwaffnender Liebe. Deshalb entrüstet er sich über die Mächtigen, die nur herrschen und also unterdrücken. Er kommt als einer, der dient und vergibt – nichts als der Diakon Gottes unter den Menschen.
Die Jünger:innen, die zu ihm gehen, werden auf diesen Weg des Friedens gerufen. Und wie schwer fällt ihnen das Nachgehen! Wie oft möchten sie mit dem Schwert dreinschlagen und Gewalt mit Gewalt beantworten! Er aber sagt (und lebt): Hört auf damit! Entsprechend sendet er seine Jünger:innen aus mit klarem Auftrag: Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Hause. Und dieser Friede wird dort, wo man ihn einlässt, konkret – in der Versöhnung, im Sieg über dämonische Mächte, in Ent-Feindung.
Der Weltfriede, der durch Jesus und seine Jünger:innen sich ausbreiten will, betrifft den ganzen Menschen und alle Welt. Er ist kein bloßer Seelenfriede, denn er macht den Menschen insgesamt ganz. Er ist kein bloß geistlicher Friede, sondern eine durchaus politische Größe. (Soweit vgl. Franz Kamphaus, Was dir zum Frieden dient, Freiburg 1983, 86ff)
Mit Gewalt auf Gewalt zu reagieren, ist –wenn überhaupt und vielleicht nur- menschlich verständlich; aber als Christ, also in der Spur Jesu, sehe ich mich gerufen, auf andere Weise zu re-agieren (!). Worte aus der Friedensnobelpreise-Rede von Martin Luther King begleiten mich bis heute. Er sagte: „Ich besitze die Kühnheit zu glauben, dass Völker allerorten täglich drei Mahlzeiten für ihren Körper, Erziehung und Kultur für ihren Verstand und ihre Würde, Gleichheit und Freiheit für ihren Geist haben können. Ich glaube, dass auf das Gegenüber ausgerichtete Menschen wiederaufbauen können, was nur auf sich selbst ausgerichtete Menschen zerstört haben. Ich glaube immer noch, dass die Menschheit mit dem Triumph über Krieg und Blutvergießen gekrönt werden wird - und dass gewaltloser, befreiender, guter Wille, also Gottes Herrschaft, über das Land ausgerufen wird.“
Das sind die Visionen der biblischen Propheten, Visionen von der Herrschaft Gottes und seines Reiches, die auch die Evangelien von Jesus bezeugen. Liebe, Vernunft, Gerechtigkeit – das sind nicht große Worthülsen. In ihnen wirken gleichermaßen analytische Vernunft und illusionsloser Glaube. Es ist für mich kein Zufall, dass Martin Luther King so entschieden und klar in der Ich-Form spricht. Es ist ja der Einzelne, der die entscheidenden Bewegungen in Gang setzt. Es ist in der Tat der „Flügelschlag des Schmetterlings“, der alles verändern kann. Martin Luther King steht für diese tief biblische Überzeugung, dass Gott jeden Menschen beim Namen ruft und ihm einen unverwechselbar eigenen Auftrag mitgibt. Jede und jeder von uns ist mit einer besonderen Berufung zum Frieden unterwegs, die es zu entdecken und anzunehmen gilt.
Gebet der Internationalen Katholischen Friedensbewegung pax christi
Danke, Gott der Liebe,
für das Geschenk des Lebens,
für diese wundervolle Welt, die uns allen gegeben ist, um zu teilen,
für die Freude an Liebe und Freundschaft,
für die Herausforderung, dabei zu helfen, dein Reich aufzubauen.
Stärke
meine Entschlossenheit, für eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit zu arbeiten,
meine Überzeugung, dass wir alle, unabhängig von unserer Nationalität oder Volkszugehörigkeit, Weltbürgerinnen und Weltbürger sind - eins in Christus.
Stärke
meinen Mut, die Mächtigen mit den Werten des Evangeliums herauszufordern,
meine Entscheidung, gewaltfreie Lösungswege zu finden in allen Konfliktsituationen – persönlich, lokal, national und international,
meine Bemühungen, Verletzungen zu vergeben und diejenigen zu lieben, die zu lieben mir schwerfällt.
Lehre mich,
die Gaben zu teilen, die mir gegeben sind,
für die Opfer von Ungerechtigkeit zu sprechen, die keine Stimme haben, die Gewalt abzulehnen, die einen Großteil unserer heutigen Welt durchdringt.
Heilige Geistkraft,
erneuere meine Hoffnung auf eine Welt,
die frei ist von der Grausamkeit und dem Übel des Krieges,
damit wir alle an Gottes Frieden und Gerechtigkeit teilhaben können
AMEN
Segensgebet
Gott unseres Lebens: segne uns
– und das, was wir tun.
Behüte uns
– und die, mit denen wir leben.
Lass dein Angesicht leuchten über uns
– und über die, für die wir Verantwortung tragen
Sei uns gnädig
– und all denen, die sich feind sind.
Erhebe dein Angesicht über uns
– und unsere Geschwister in aller Welt.
Gib uns deinen Frieden
– und gib der ganzen Welt deinen Frieden.
AMEN
Lieder – Vorgeschlagen
Gott gab uns Atem
1. Gott gab uns Atem, damit wir leben.
Er gab uns Augen, dass wir uns sehn.
Gott hat uns diese Erde gegeben,
dass wir auf ihr die Zeit bestehn.
Gott hat uns diese Erde gegeben,
dass wir auf ihr die Zeit bestehn.
2. Gott gab uns Ohren, damit wir hören.
Er gab uns Worte, dass wir verstehn.
Gott will nicht diese Erde zerstören.
Er schuf sie gut, er schuf sie schön.
Gott will nicht diese Erde zerstören.
Er schuf sie gut, er schuf sie schön.
3. Gott gab uns Hände, damit wir handeln.
Er gab uns Füße, dass wir fest stehn.
Gott will mit uns die Erde verwandeln.
Wir können neu ins Leben gehn.
Gott will mit uns die Erde verwandeln.
Wir können neu ins Leben gehn.
Text: Eckart Bücken 1982 / Melodie: Fritz Baltruweit 1982
Ubi caritas et amor, ubi caritas Deus ibi est
Wo Liebe ist und Güte, da wohnt Gott.
Text und Musik: aus Taizé
Unfriede herrscht auf der Erde
1) Unfriede herrscht auf der Erde.
Kriege und Streit bei den Völkern
und Unterdrückung und Fesseln
zwingen so viele zum Schweigen.
Ref.: Friede soll mich euch sein.
Friede für alle Zeit!
Nicht so, wie ihn die Welt euch gibt,
Gott selber wird es sein.
2) In jedem Menschen selbst herrschen
Unrast und Unruh ohn’ Ende
selbst wenn wir ständig versuchen
Friede für alle zu schaffen.
3) Lass uns in deiner Hand finden,
was du für alle verheißen.
Herr, fülle unser Verlangen,
gib du uns selber den Frieden.